Pride Month: Was bleibt vom Regenbogen?

Es ist Pri­de Month. In Schau­fens­tern und auf Markt­plät­zen hän­gen Regen­bo­gen­flag­gen, Unter­neh­men beteu­ern Offen­heit und Inklu­si­on für Men­schen, die sich als les­bisch, schwul, bise­xu­ell, trans­gen­der, inter­se­xu­ell, nicht binär und vie­les mehr iden­ti­fi­zie­ren. Sexu­el­le Viel­falt wird sicht­bar. Aber die Ungleich­hei­ten, die sexu­el­le Viel­falt mit sich bringt, dür­fen nicht ab Juli wie­der unsicht­bar werden.

Der ers­te Pri­de 1969 war ein Auf­stand gegen Poli­zei­ge­walt. Seit­dem ist viel pas­siert, aber noch immer ste­hen wich­ti­ge The­men hin­ter der bun­ten Fassade.

Die UEFA hat letz­te Woche einen Antrag der Stadt Mün­chen abge­lehnt, die Alli­anz­are­na wäh­rend des Spiels Deutsch­land-Ungarn in Regen­bo­gen­far­ben beleuch­ten zu las­sen. Anlass war das in Ungarn beschlos­se­ne Gesetz, das LGBTQIA+ Inhal­te ver­bie­tet. Was ein Zei­chen für Viel­falt und Soli­da­ri­tät sein soll­te, zeigt statt­des­sen, dass die Rech­te von LGBTQIA+ Men­schen noch immer als ver­han­del­bar gelten:

Im Mai hat der Bun­des­tag gegen die Ein­füh­rung eines Selbst­be­stim­mungs­ge­set­zes für trans­se­xu­el­le Men­schen gestimmt. In Polen wur­den im letz­ten Jahr LGBTQIA+ freie Zonen ein­ge­führt. Wer als Mann mit ande­ren Män­nern Sex hat, darf erst 12 Mona­te nach dem letz­ten Geschlechts­ver­kehr Blut spen­den. Auch, wenn er mono­gam ist. Wenn zwei Frau­en ein Kind bekom­men, darf nur eine Mut­ter in der Geburts­ur­kun­de ste­hen. Ein nicht bio­lo­gi­scher Vater wird ohne Pro­ble­me ein­ge­tra­gen. Die­se Ungleich­hei­ten zei­gen ver­al­te­te Annah­men dar­über, wie que­e­re Men­schen leben.

Und die­se Ungleich­hei­ten füh­ren dazu, dass LGBTQIA+ Per­so­nen ein erhöh­tes Risi­ko haben, sozi­al aus­ge­grenzt, arbeits­los und obdach­los zu wer­den, depres­siv zu sein und Sui­zid zu begehen.

Das Kon­zept der Hete­ro­nor­ma­ti­vi­tät beschreibt die Annah­me, alle Men­schen sei­en hete­ro­se­xu­ell und von Geburt an ein­deu­tig männ­lich oder weib­lich. Durch die­ses Den­ken wird die Lebens­rea­li­tät vie­ler Men­schen unsicht­bar. Wie bei allen Diver­si­ty-Dimen­sio­nen gilt es auch hier, Men­schen, die von der damit ver­bun­de­nen Dis­kri­mi­nie­rung betrof­fen sind, nicht nur gedank­lich mit­ein­zu­be­zie­hen, son­dern auch aktiv zuzu­hö­ren und sie – sofern sie das möch­ten – für sich selbst spre­chen zu las­sen. Daher habe ich die­sen Arti­kel gemein­sam mit mei­ner Kol­le­gin Hele­na Rau­er geschrie­ben und gebe ihrer Stim­me im fol­gen­den Abschnitt unge­fil­tert Raum. 

Benen­nen und benannt werden 

Die Unbe­nann­ten sind Men­schen, deren Exis­tenz nicht hin­ter­fragt wird. Sie sind der Stan­dard. Die Norm. Der Maßstab 

Que­e­re Men­schen wer­den benannt. Es gibt immer wie­der Situa­tio­nen, in denen ich rich­tig­stel­len muss, was mein gegen­über gera­de fälsch­li­cher­wei­se ange­nom­men hat. „Ich habe eine Freun­din, kei­nen Freund.“ –  „Ich habe kei­nen Freund, aber wenn ich in einer Bezie­hung wäre, wäre das mit einer Frau.“ – „Ich bin kei­ne Frau, ich bin nicht-binär.“ Sol­che Situa­tio­nen schlie­ßen aus. Am bes­ten wäre es natür­lich, von vorn­her­ein jede:n mit­zu­den­ken. Aber an die­sem Punkt sind wir noch nicht. 

Bis dahin soll­ten wir den betrof­fe­nen Per­so­nen die Deu­tungs­ho­heit über­las­sen. Wenn ich von mei­ner Freun­din rede, dann muss das nicht hei­ßen, dass ich les­bisch bin. Das kann es, aber ich könn­te auch bise­xu­ell sein oder es ein­fach nicht benen­nen wol­len. Es ist ein gro­ßer Unter­schied, ob ich mich selbst benen­ne oder benannt werde. 

Bis dahin soll­ten wir trans­pa­rent damit sein, dass wir noch nicht alles wis­sen und mit­den­ken. Ich mag es, wenn Men­schen mir sagen, dass sie gera­de erst ein­mal umden­ken muss­ten. Es ist ein Lern­pro­zess. Wir alle wur­den sozia­li­siert zu den­ken, wir sei­en hete­ro­se­xu­ell und pass­ten in die uns vor­ge­leb­ten Gen­der­kon­zep­te. Nur stel­len sich die­se Annah­men bei man­chen Men­schen als falsch heraus. 

Das Pri­va­te ist politisch 

Wenn LGBTQIA+ Men­schen auf poli­ti­scher Ebe­ne noch immer nicht die glei­chen Rech­te haben, dann drückt sich das auch dar­in aus, dass sie sich in ihrem All­tag nicht sicher füh­len. Laut einer Stu­die der Agen­tur der Euro­päi­schen Uni­on für Grund­rech­te haben sich in Deutsch­land nur 37% der LGBTQIA+ Men­schen im Arbeits­kon­text geoutet. Das bedeu­tet Jah­re, in denen die betrof­fe­nen Men­schen beim Small­talk auf­pas­sen müs­sen, nichts Fal­sches zu sagen. Jah­re, in denen sie nicht mal eben erzäh­len kön­nen, mit wem sie in den Urlaub fah­ren. Jah­re, in denen sie sich unfrei­er füh­len, als ihre Kolleg:innen und des­halb nicht so gute Bezie­hun­gen zu ihnen auf­bau­en können. 

Was kommt nach dem Pri­de Month? 

Der Juni ist nun fast vor­bei. Wie sieht es mit der lang­fris­ti­gen Soli­da­ri­sie­rung von Unter­neh­men mit LGBTQIA+ Men­schen aus? Denn es darf nicht nur bei einer Dar­stel­lung nach außen blei­ben. Viel wich­ti­ger ist, dass sie inner­halb des Unter­neh­mens spür­bar wird. Wir raten dazu, in drei Schrit­ten an ver­schie­de­nen Punk­ten anzusetzen: 

  1. Awa­re­ness 
  2. Empower­ment 
  3. Chan­ge 

Awa­re­ness bedeu­tet, nicht-que­e­re Men­schen zu sen­si­bi­li­sie­ren und ein Bewusst­sein dafür zu schaf­fen, wie que­e­re Men­schen im Gro­ßen und Klei­nen dis­kri­mi­niert wer­den. Der unan­ge­neh­men Situa­ti­on des „Outings“ kann eine ganz ande­re Bedeu­tung zukom­men, wenn que­e­re Men­schen von vorn­her­ein mit­ge­dacht wer­den. Es liegt nicht in der Ver­ant­wor­tung quee­rer Men­schen, ande­re auf­zu­klä­ren, wenn die­se etwas Fal­sches ange­nom­men haben. Best Prac­ti­ce ist hier­für bei­spiels­wei­se SAP mit regel­mä­ßi­gen „Ask me any­thing Ses­si­ons“, in denen Men­schen auf­ge­klärt wer­den, die nicht Teil der LGBTQIA+ Com­mu­ni­ty sind. Auch Awa­re­ness-Work­shops sind empfehlenswert. 

Empower­ment rich­tet sich an LGBTQIA+ Men­schen selbst. Netz­wer­ke und unab­hän­gi­ge Ansprech­per­so­nen kön­nen hel­fen, sich aus­zu­tau­schen, die eige­nen Bedürf­nis­se und Rech­te bewusst zu machen und die­se zu ver­tre­ten. Die­se Netz­wer­ke soll­ten die ers­te Anlauf­stel­le sein, wenn Unter­neh­men Struk­tu­ren für mehr Diver­si­tät schaf­fen wollen. 

Chan­ge setzt bei den Unter­neh­mens­struk­tu­ren an. Unter­neh­men brau­chen ein Diver­si­ty Manage­ment, um die Bewusst­seins­bil­dung zu för­dern und auf die Bedürf­nis­se und Erfah­run­gen quee­rer Men­schen ein­zu­ge­hen. Dr. Eva Voß, Die Head of Diver­si­ty, Inclu­si­on and Peo­p­le Care Ger­ma­ny & Aus­tria bei BNP Pari­bas, spricht hier­bei von “Diver­si­ty by Design”.