Heute ist internationaler Tag der Pronomen. Er wird seit 2018 jedes Jahr am dritten Mittwoch im Oktober gefeiert. Doch was feiern wir genau? Pronomen sind Wörter, die Nomen vertreten oder näher bestimmen können (z.B. sie, mein, welcher). Warum brauchen wir also einen Tag, um diese Wortgruppe zu feiern?
Der Aktionstag der Pronomen soll auf eine respektvolle Nutzung von Personalpronomen aufmerksam machen. Auf der Website zum International Pronouns Day wird betont, dass es zum grundsätzlichen Respekt gegenüber anderen Menschen gehört, sie mit den von ihnen selbst gewählten Pronomen anzusprechen.
Den internationalen Tag der Pronomen gibt es erst seit vier Jahren. Das Ziel ist immer noch das gleiche: die Normalisierung von Erfragen, Teilen und Respektieren der Pronomen! Warum ist das wichtig? Es gibt Menschen, die nicht mit den gängigen deutschen Personalpronomen er oder sie angesprochen werden möchten, z. B. weil sie sich als nicht-binär identifizieren. Weiterhin gibt es Menschen, die sich irgendwann in ihrem Leben entscheiden, ein anderes Pronomen als bisher nutzen zu wollen, z. B. weil sie trans sind und im Rahmen einer Transition auch ihr Pronomen anpassen.
Was verstehen wir unter non-binary, trans und Transition?
Als non-binary (auch Nicht-binär) verstehen sich Menschen, deren Geschlechtsidentität nicht in das binäre Geschlechterkonzept passt. Nicht-Binär ist ein Sammelbegriff, in dem sich verschiedene Identitäten wiederfinden. Unter Anderem finden sich hier Menschen wieder, die weder männlich noch weiblich sind oder Menschen, die manchmal mehr weiblich, manchmal mehr männlich sind (genderfluid).
Menschen, die sich nicht mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren, werden trans oder auch transgender genannt.
Der gesamte Prozess der Geschlechtsanpassung nennt sich Transition. Dazu können u. a. Änderung des Namens, der Pronomen, anderes Auftreten in Kleidungsstil und Frisur, Hormon-Einnahme, operative Eingriffe zählen.
Was bedeutet das für unsere Sprache?
Die Personalpronomen der deutschen Sprache sind in das System der grammatischen Geschlechter (Genus) eingeordnet. Dies beinhaltet Maskulinum (er), Femininum (sie) und Neutrum (es). Dementsprechend könnte man denken, als nicht-binäre Option stünde das Pronomen es zur Verfügung. Diese Überlegung greift aber viel zu kurz. Denn das Neutrum wird für Gegenstände, nicht aber für Menschen verwendet. Es wäre also herabwürdigend und dehumanisierend, über Menschen mit dem Pronomen es zu sprechen.
Während es in anderen Sprachen schon lange geschlechtsneutrale Pronomen gibt, findet in der deutschen Sprache ein Sprachwandel statt: die Suche nach einer guten Alternative. Als Alternative für die gängigen Personalpronomen werden aktuell Neuschöpfungen (Neo-Pronomen) oder auch gar keine Pronomen benutzt.
Was sind Neo-Pronomen?
Neo-Pronomen sind Wortneuschöpfungen, die binäre Pronomen wie er oder sie umgehen. Neo-Pronomen sind in jeder Sprache und in jedem Land unterschiedlich.
Deutschland mitten in der Variantenvielfalt
In Deutschland sind Neo-Pronomen noch nicht stark verbreitet und auch in der Wissenschaft wurde noch nicht viel dazu geforscht. Wir befinden uns zurzeit in einem Stadium der Variantenvielfalt. Es gibt also viele verschiedene Neo-Pronomen und noch zeichnet sich kein Favorit ab. Was sich letztendlich durchsetzen wird, können nur spekulieren. Einige der aktuell genutzten Neo-Pronomen sind in der Tabelle jeweils mit einem Satzbeispiel zu sehen.
dey/dem | Das hat dey gestern erledigt. |
ens | Kim ist neu im Team. Ich mag ens echt gern. |
xier/xiem | Bring xiem etwas zu essen mit. |
bla | Bla wird sicher bald dazukommen. Blahswegen müssen wir nicht warten. |
A | A ist lieb. Das ist As Katze. Wir mögen A. Ich gebe A As Jacke. |
In anderen Sprachen ist diese Suche gar nicht nötig, da es schon geschlechtsneutrale Optionen gibt. Am bekanntesten ist vermutlich das they im Englischen, aber auch im Schwedischen gibt es eine Alternative.
Als erstes Land überhaupt hat Schweden ein geschlechtsneutrales Pronomen für die dritte Person Singular neu eingeführt – das Pronomen hen. Bisher stößt hen großflächig auf positive Reaktionen und wurde bereits von offiziellen Stellen wie der Sprachakademie aufgenommen.
Auch im Englischen hat sich wie gesagt bereits ein geschlechtsneutrales Pronomen durchgesetzt: they/them. Dieses Pronomen, das eigentlich eine Pluralform ist, wird schon seit Jahrhunderten auch im Singular genutzt, wenn über eine Person gesprochen wird, deren Geschlecht unbekannt ist. In den letzten Jahren wird es vor allem von nicht-binäre Personen genutzt, um eine geschlechtsneutrale Alternative zu her oder him zu haben. Es ist möglich, dass dieses Pronomen auch in die deutsche Sprache entlehnt werden könnte. Parallel entwickelt sich eine „eingedeutschte“ Variante: Dey/dem ahmt das Englische they nach.
Die Anwendung des Neo-Pronomens dey:
Nominativ: Dey hat deren Jacke gegeben.
Genitiv: Das ist deren Jacke.
Dativ: Ich helfe denen bei einer Hausarbeit.
Akkusativ: Ich mag dey sehr gerne.
Nicht nur im Deutschen, sondern auch in den romanischen Sprachen (d.h. Sprachen, die ihren Ursprung im Latein haben), sind die Geschlechtermarkierungen sehr stark. Dies erschwert das Gendern in diesen Sprachsystemen. Im Spanischen wird unter Anderem überlegt, mit dem @-Zeichen zu gendern, während im Französischen Punkte in die Wörter gesetzt werden (fr. député.e.s – dt. Parlmentarier:innen). Letztes Jahr hat das französische Wörterbuch „Le Robert“ die geschlechtsneutralen Pronomen iel und ielle aufgenommen, da diese Formen immer häufiger verwendet werden. Auch in Spanien verbreitet sich ein geschlechtsneutrales Pronomen: elle, das sich aus el und ella zusammensetzt.
Was könnt ihr tun?
Nicht nur am Internationalen Tag der Pronomen gibt es Einiges, was ihr tun könnt.
Nutzt eure Reichweite auf Social Media und in eurem Umfeld: ihr könnt den #PronounsDay Hashtag benutzen und eure eigenen Pronomen in eurem Profil angeben. Wenn alle Menschen ihre Pronomen angeben, fällt die Absonderung von Menschen, deren Genderidentität nicht mit ihrem biologischen Geschlecht übereinstimmt, weg.
Auch bei Vorstellungsrunden könnt ihr euch mit euren Pronomen vorstellen und die Anderen bitten, es auch so zu machen. Beispiel: Hi, ich bin Simone, Pronomen sie/ihr.
Übrigens: Es hat sich durchgesetzt, dass zwei Formen der Pronomen angegeben werden. Doch warum? Ursprünglich wurden alle grammatischen Fälle genannt, um die Nutzung von Neo-Pronomen zu vereinfachen (z.B. xe/xem/xyr/xyrs/xemself). Mit der Zeit hat sich diese lange Liste bei bekannten Pronomen vereinfacht und die Zweifachnennung ist geblieben. Damit bleibt die Möglichkeit, das gewünschte Pronomen-Set zu nennen und auch Personen mit verschiedenen Pronomen können dies klarstellen. Bei Neo-Pronomen, die noch nicht weit verbreitet sind, ist unsere Empfehlung: Nenne mehr als zwei Formen! Das vereinfacht die Nutzung für alle und Mispronouncing wird verhindert.
Wenn ihr mehr tun wollt, könnt ihr auch das Thema Pronomen bei euch am Arbeitsplatz ansprechen. Allerdings solltet ihr euch hier vorher auf das Thema vorbereiten, damit ihr auch Fragen beantworten könnt. Dazu könnten zum Beispiel die folgenden Vorschläge zählen: Bei größeren Events könnt ihr fördern, dass auf Namensschildern die Pronomen ergänzt werden. Für weitere Visibility könnt ihr Buttons, T‑Shirts oder Infomaterial verteilen. Im persönlichen Rahmen könnt ihr euch überlegen, eure Pronomen in E‑Mail-Signaturen und auf Businesskarten zu erwähnen und damit auch Andere zu motivieren.
Mispronouning & Misgendern
Selbst wenn man sich in diesem Thema gut auskennt, kann der stetige neue Informationszufluss teilweise überwältigend sein. Es ist nur menschlich, dass uns auch mal Fehler passieren – wir müssen das bestehende, uns bekannte System erst „ent-lernen“, damit ein neues angewandt werden kann.
Es gibt aber auch Situationen, in denen es gar nicht um Neopronomen geht, sondern um den Wechsel von einer Geschlechtsidentität zur anderen innerhalb des binären Systems. Auch hier passieren Fehler:
Was ist deadnaming?
Viele trans Personen ändern ihren Namen als Teil ihrer Transition, da es ihnen hilft, sich in ihrer Geschlechtsidentität einzufinden. Deadnaming bedeutet, dass eine Person nicht den selbstgewählten Namen der trans Person nutzt, sondern den Geburtsnamen, auch bekannt als Deadname.
Quelle & weitere Infos unter https://queer-lexikon.net/2019/12/23/deadname/
Wenn ihr euch nicht sicher seid, wie ihr eine Person ansprechen sollt, bzw. mit welchen Pronomen ihr über sie reden sollt, fragt einfach nach (und stellt euch am besten in dem Rahmen mit euren eigenen Pronomen vor)!
Keine Person wird es euch verübeln, wenn ihr es mal falsch macht. Was allerdings problematisch ist, ist das Misgendern, welches mit Absicht aus Ignoranz resultiert. So gab es z. B. Anfang des Jahres viel Medienberichterstattung, nachdem AfD-Politikerin Beatrix von Storch die Grünen-Bundestagsabgeordnete trans Frau Tessa Ganserer bei ihrem Deadname nannte und zudem die männlichen Pronomen verwendete.
Diese Ignoranz kann extreme Folgen haben. Das hat beispielsweise das Trevor Project, eine Nonprofit-Organisation mit einer Hotline für diskriminierte Menschen aus der LGBTQIA+ Community in den USA, untersucht: Demnach führt das Misgendern bei den Betroffenen zu Depressionen, erhöhtem Stress und stressbedingter Krankheit. Wenn allerdings die Geschlechtsidentitäten respektiert werden, halbiert dies die Rate an Selbstmordversuchen von transgender- und nicht-binären Jugendlichen!
Auch die ersten Gerichtsurteile stimmen zu: Verschiedene Geschlechtsidentitäten müssen akzeptiert werden. Mehrere Oberlandesgerichte haben entschieden, dass bei der Abwicklung von Vertragsverhältnissen eine Auswahl zwischen den Anreden Herr und Frau nicht erzwungen werden darf. Es muss eine dritte Auswahloption geben, beispielsweise divers oder keine Angabe. Personen, die Gebrauch von dieser dritten Option machen, dürfen danach auch nicht mit Herr oder Frau angeschrieben werden. Zwar haben diese Urteile keine allgemeingültige Wirkung, es bleibt aber abzuwarten, ob sich andere Gerichte in künftigen Entscheidungen oder sogar das Gesetz hieran orientieren werden.
Denn: Wünschen wir uns nicht alle, dass wir so genommen werden, wie wir sind?