Wer „sale“ sagen kann, kann auch „queer“ sagen: Eine Kommunikationshilfe zum Pride-Month

Pride Month - Regenbogenfarben

Kom­men­den Mitt­woch ist der 1. Juni. Gro­ße und klei­ne Orga­ni­sa­tio­nen ste­hen in den Start­lö­chern, um zum Pri­de Month ihre Soli­da­ri­tät mit der Que­er-Com­mu­ni­ty zu bekun­den. Flag­gen wer­den gehisst, Logos und Gebäu­de erstrah­len in Regen­bo­gen­far­ben. In mei­ner doch ziem­lich lin­ken Social Media Bubble wird bereits Kri­tik laut an Rain­bow Washing bzw. Pink Washing von Orga­ni­sa­tio­nen, die sich que­er­fri­end­ly geben, weil das eben jetzt Trend ist, weil Diver­si­ty & Inclu­si­on erwar­tet wird und weil die Repu­ta­ti­on auf dem Spiel steht. Ins­ge­samt: Same pro­ce­du­re as every year. Auch wir haben letz­tes Jahr bereits einen Arti­kel zu die­sem The­ma gebracht und wir kön­nen uns nur wie­der­ho­len. Solan­ge es wei­ter­hin die­se Pro­ble­me gibt, muss auch wei­ter­hin dar­auf hin­ge­wie­sen wer­den. 

Was ist Rainbow Washing bzw. Pink Washing? 

Rain­bow-Washing ist eine Wort­neu­schöp­fung aus Rain­bow und White­washing und kri­ti­siert die Mar­ke­ting­kam­pa­gnen von Unter­neh­men, die in ihrer Wer­bung mit der Regen­bo­gen-Sym­bo­lik eine Unter­stüt­zung der LGBTQIA+-Community signa­li­sie­ren, aber nicht ernst­haft dahin­ter ste­hen, wenn es (inter­na­tio­nal) um die Rech­te von quee­ren Per­so­nen geht.  

Quel­le & wei­te­re Infos: https://frauenseiten.bremen.de/blog/was-ist-eigentlich-rainbow-washing/   

 

Auch in mei­ner Hei­mat­stadt Hei­del­berg, Mit­glied des Rain­bow-Cities-Netz­werk und die Stadt mit dem größ­ten Que­er-Fes­ti­val Deutsch­lands, ist Que­er­feind­lich­keit ein The­ma. Wer­be­pla­ka­te für das Que­er-Fes­ti­val wer­den über­klebt, homo­pho­be und trans­feind­li­che Sti­cker kle­ben auf Stra­ßen­la­ter­nen in der Alt­stadt. Das mag nach harm­lo­sem Van­da­lis­mus klin­gen, aber für que­e­re Per­so­nen (vor allem, wenn sie que­er gele­sen wer­den) ist das nicht nur ver­let­zend, son­dern es kann rea­le Gefahr bedeu­ten. 

Dar­um ist es umso wich­ti­ger, sich ein­deu­tig und klar zu posi­tio­nie­ren. Gleich­be­rech­ti­gung und Diver­si­ty ernst zu neh­men bedeu­tet, sich aktiv und öffent­lich für benach­tei­lig­te Grup­pen ein­zu­set­zen: Män­ner als Male Ally für Frau­en, cis-hete­ro Men­schen als Que­er Ally für que­e­re Per­so­nen, etc. Wie kann das kon­kret aus­se­hen? Nicht (nur) mit Regen­bo­gen­far­ben, son­dern im all­täg­li­chen Han­deln und das bedeu­tet: Auch im all­täg­li­chen Spre­chen. Denn Spra­che ist das zugäng­lichs­te und effi­zi­en­tes­te Werk­zeug, um (Organisations-)Kultur aus­zu­drü­cken. 

 

Was bedeutet queer? 

Que­er ist eine (inzwi­schen) posi­tiv kon­no­tier­te Selbst­be­zeich­nung von Men­schen, die ihre Iden­ti­tät als „außer­halb der gesell­schaft­li­chen Norm“ ver­or­ten. Gleich­zei­tig ist que­er ein Sam­mel­be­griff für Men­schen, die nicht in die roman­ti­schen, sexu­el­len und/oder geschlecht­li­chen Nor­men der Gesell­schaft pas­sen. (Quel­le: queer-lexikon.net) 

 

Ich habe ein paar Kom­mu­ni­ka­ti­ons­hil­fen für Que­er Allies zusam­men­ge­stellt – für den nächs­ten Monat und dar­über hinaus. 

 

 

1. Nehmt (Selbst-)bezeichnungen ernst. 

Das Igno­rie­ren und Mis­gen­dern von Geschlechts­iden­ti­tä­ten kann extre­me Fol­gen haben. Es steht in Zusam­men­hang mit Stig­ma­ti­sie­run­gen, erhöh­tem Stress, stress­be­ding­ter Krank­heit und Depres­sio­nen (Kapus­ta 2016). Zum Mis­gen­dern zäh­len bei­spiels­wei­se: Wenn ein trans Mann als Frau bezeich­net wird oder nicht mit den kor­rek­ten Pro­no­men ange­spro­chen wird, wenn in einem Sam­mel­brief, der sich auch an nicht-binä­re Per­so­nen rich­tet, die Anre­de Sehr geehr­te Damen und Her­ren ver­wen­det wird. 

Das Respek­tie­ren von Pro­no­men und Geschlechts­iden­ti­tä­ten hin­ge­gen führt zu einem Rück­gang von sui­zi­da­len Gedan­ken und Hand­lun­gen bei trans­gen­der- und nicht-binä­ren Jugend­li­chen (Rus­sell et al. 2018). Zum Respek­tie­ren von Selbst­be­zeich­nung zählt z.B. auch die kor­rek­te Aus­spra­che davon. Ich habe in den ver­gan­ge­nen Wochen all­zu häu­fig erlebt, dass Men­schen nicht que­er, son­dern quer gesagt haben. Wer als Ober­bür­ger­meis­ter auf einer Büh­ne stolz davon berich­tet, wie sehr die Stadt ihre que­e­re Com­mu­ni­ty unter­stützt, soll­te sich zumin­dest so weit mit dem The­ma aus­ein­an­der­set­zen, dass er nicht zig Mal in einer Rede quer Com­mu­ni­ty sagt. Angli­zis­men sind nun wirk­lich nichts Neu­es in unse­rem Sprach­ge­brauch. Wer Sale sagen kann, kann auch que­er sagen. 

 

2. Brecht mit sprachlichen Gewohnheiten.  

  • Nutzt gen­der­ge­rech­te Spra­che. Das soge­nann­te gene­ri­sche Mas­ku­li­num macht Frau­en, inter und nicht-binä­re Per­so­nen sprach­lich unsicht­bar und legt ihnen zusätz­li­chen Men­tal Load auf, indem sie jedes Mal dar­über nach­den­ken müs­sen, ob sie mit­ge­meint sind oder nicht. Der Sprach­wis­sen­schaft­ler Ana­tol Ste­fa­no­witsch for­mu­liert in sei­nem Buch Eine Fra­ge der Moral hier­für eine „gol­de­ne Regel“: Wer die­ses Ver­steck­spiel und die Inter­pre­ta­ti­ons­ar­beit für sich selbst ablehnt, darf sie auch nicht ande­ren zumu­ten. Denn dass Nicht-Betrof­fe­ne dis­kri­mi­nie­ren­de Spra­che häu­fig nicht erken­nen, liegt genau dar­an, dass sie eben nicht betrof­fen sind.  
  • Immer noch wer­den vie­le Adjek­ti­ve, die Iden­ti­täts- oder kör­per­li­che Merk­ma­le beschrei­ben, als Schimpf­wör­ter ver­wen­det, z.B. schwul oder behin­dert. Dadurch wird die Stig­ma­ti­sie­rung von betrof­fe­nen Grup­pen immer wie­der sprach­lich repro­du­ziert und gefes­tigt. Dabei haben die Wör­ter les­bisch, schwul, gay, que­er in den letz­ten Jahr­zehn­ten schon eine Resi­gni­fi­zie­rung (Umdeu­tung) erlebt – indem sie als Selbst­be­zeich­nun­gen in der Que­er Com­mu­ni­ty ver­wen­det und dadurch (wie­der) posi­tiv kon­no­tiert wur­den. Weist ande­re dar­auf hin, wenn sie die­se Wör­ter ver­wen­den, um etwas Nega­ti­ves zu beschrei­ben. 
  • Reflek­tiert hete­ro­nor­ma­ti­ve Ste­reo­ty­pe in eurem Den­ken und Spre­chen. In mei­ner Nach­bar­schaft leben zwei klei­ne Kin­der – ein Mäd­chen (1 Jahr) und ein Jun­ge (1,5 Jah­re). Schon jetzt wer­den die bei­den scherz­haft als zukünf­ti­ges Paar betrach­tet. Wie wür­den die Zuschrei­bun­gen aus­fal­len, wenn das zwei Mäd­chen wären? Höchst­wahr­schein­lich: Spiel­ka­me­ra­din­nen und bes­te Freun­din­nen. 

 

3. Gebt eure Pronomen an. 

Müsst ihr jetzt stän­dig eure Pro­no­men nen­nen? Nein. Ihr könnt es immer machen, wenn ihr euch nament­lich vor­stellt, One-on-one oder in grö­ße­ren Run­den. Dazu ergänzt ihr die Pro­no­men ein­fach, nach­dem ihr euren Namen gesagt habt. Ein Bei­spiel: „Ich bin Fran­zis­ka, Pro­no­men sie/ihr.“  

Setzt eure Pro­no­men in eure E‑Mail-Signa­tur oder nutzt die Ergän­zung in Social Media Kanä­len wie z.B. Lin­ke­dIn. Ihr tragt damit dazu bei, dass die uns allen in der Gesell­schaft die Anga­be von Pro­no­men geläu­fi­ger wird. Damit erleich­tert ihr das Leben von Per­so­nen, für die es nicht selbst­ver­ständ­lich ist, dass sie im All­tag mit den rich­ti­gen Pro­no­men ange­spro­chen wer­den – wenn sie z.B. mit dem Pro­no­men they ange­spro­chen wer­den möch­ten, aber weib­lich gele­sen wer­den und dem­entspre­chend häu­fig mit dem ent­spre­chen­den weib­li­chen Pro­no­men sie ange­spro­chen wer­den. Wenn die­se Per­so­nen grund­sätz­lich die Ein­zi­gen sind, die über­haupt ihre Pro­no­men ange­ben, wer­den sie stän­dig damit kon­fron­tiert, dass sie abwei­chen von dem, was momen­tan als gesell­schaft­li­che Norm gilt. 

Ihr orga­ni­siert eine Podi­ums­dis­kus­si­on, eine Kon­fe­renz oder ein ande­res Event? Bit­tet alle Men­schen auf dem Podi­um, sich mit Pro­no­men vor­zu­stel­len. Bit­tet bei der Anmel­dung für das Event um die Anga­be der Pro­no­men, damit ihr sie mit auf die Namens­schil­der dru­cken könnt. Mit eurer Anga­be von Pro­no­men drückt ihr Wert­schät­zung für alle geschlecht­li­chen Iden­ti­tä­ten in eurer Kom­mu­ni­ka­ti­on aus.

 

4. Sprecht nicht über queere Menschen, sondern mit ihnen.  

Wie bei allen Dimen­sio­nen von Viel­falt und vor allem bei allen Arten von Dis­kri­mi­nie­rung: Lasst Betrof­fe­ne selbst spre­chen. Gebt mar­gi­na­li­sier­ten Grup­pen eine Büh­ne. Wenn gesell­schaft­li­che The­men aus­ge­han­delt wer­den, soll­ten immer Men­schen dar­über dis­ku­tie­ren, die selbst betrof­fen sind. 

Wenn ihr im per­sön­li­chen Aus­tausch mit quee­ren Per­so­nen seid, ach­tet auch auf den letz­ten Punkt: Infor­miert euch.

 

5. Informiert euch! 

Mit quee­ren Men­schen spre­chen: Ja. Quee­ren Men­schen inti­me Fra­gen stel­len: nein. Es ist nicht die Auf­ga­be jeder quee­ren Per­son, Auf­klä­rungs­ar­beit über die­ses The­ma zu leis­ten. Ers­tens kommt es schnell zum Halo-Effekt – einem Uncon­scious Bias, durch den ein (Identitäts-)Aspekt einer Per­son so domi­nant wahr­ge­nom­men wird, dass er alles ande­re ver­deckt. Que­e­re Per­so­nen wer­den so auf ihr Que­er­sein redu­ziert. Zwei­tens ist es eine gro­ße Belas­tung, stän­dig mit Fra­gen nach der eige­nen Iden­ti­tät kon­fron­tiert zu wer­den. Die trans Frau Phe­nix Küh­nert berich­tet in ihrem Buch Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau davon, dass sie regel­mä­ßig in all­täg­li­chen Situa­tio­nen, z.B. an der Super­markt­kas­se, danach gefragt wird, ob sie denn schon eine geschlechts­an­glei­chen­de Ope­ra­ti­on hät­te durch­füh­ren las­sen.  

Es ist nor­mal, dass Men­schen neu­gie­rig sind. Es ist zu begrü­ßen, wenn Men­schen sich für das The­ma inter­es­sie­ren und sich infor­mie­ren möch­ten. Aber denkt ein­mal eine Sekun­de dar­über nach, ob ihr selbst beim Wochen­ein­kauf mit Fra­gen sol­cher Art kon­fron­tiert wer­den möch­tet. Wir alle wis­sen, wie Goog­le funk­tio­niert. Werft die Such­ma­schi­ne eurer Wahl an und ab geht’s, z.B. auf der Web­site „Que­er Lexi­kon“, die über sexu­el­le und geschlecht­li­che Viel­falt infor­miert. Lest Bücher, hört Pod­casts, schaut Doku­men­ta­tio­nen von und mit quee­ren Per­so­nen – und emp­fehlt sie wei­ter. 

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Leseempfehlungen: 

Eine Frau ist eine Frau ist eine Frau – Phe­nix Küh­nert 

https://queer-lexikon.net/ — Infor­ma­tio­nen über sexu­el­le und geschlecht­li­che Viel­falt